Homöopathieforschung – an vorderster Front der Wissenschaft
19. Juli 2016 Markus Dankesreiter 0 Comments
Homöopathie-Ablehner arbeiten sich gerne an der über 200 Jahre alten, von Samuel Hahnemann begründeten Erfahrungsmedizin ab. Sie wiederholen dabei immer wieder dieselben Argumente, unter anderem die folgenden:
- eine Wirkung hochverdünnter Arzneien könne es nicht geben, weil ja nichts drin sei
- der Wissenschaft sei so etwas wie ein Änhlichkeitsprinzip nicht bekannt
Da diese Leute so arg damit beschäftigt sind, sich gegenseitig ständig dieser Argumente zu vergewissern und sie in allen Medien zum Besten zu geben – für meinen Geschmack zu oft, zu laut und zu undifferenziert -, entgeht ihnen etwas ganz Wesentliches: Durch die Forschung sind diese Argumente schon seit Jahren überholt. Die Homöopathie spielt an der vordersten Front der medizinischen, biologischen und materialwissenschaftlichen Forschung mit, insbesondere in der Komplexitätsforschung, der Biophysik und der Nano-Pharmakologie. Darauf weist der italienische Hämatologe und Pathologe Prof. Dr. Paolo Bellavite hin (P. Bellavite, On the plausibility of homeopathic ’similitude‘. Bioethics. 2012 Nov; 26(9):506-7).
Im Folgenden seien nur zwei Beispiele beschrieben. Vor allem das zweite mag nicht leicht zu verstehen sein, aber bleiben Sie dran – es lohnt sich!
Potenzierte Flüssigkeiten sind anders
Seit Jahren wird mit physikalischen Methoden an homöopathisch zubereiteten Stoffen geforscht, mit Kernspinresonanz-Spektroskopie, Thermolumineszenz und anderen Verfahren. Dabei zeigt sich immer deutlicher, dass das Potenzierungsverfahren der Homöopathie definitiv das Lösungsmittel (Wasser oder alkoholische Lösung) verändert, und zwar auch in den häufig kritisierten Hochpotenzen, die ja theoretisch kein einziges Wirkstoff-Molekül enthalten. Laut der Untersuchungsergebnisse scheinen sich Strukturen auszubilden, die recht stabil und typisch für das jeweilige Arzneimittel sind (siehe z.B. die Arbeiten von Jean-Louis Demangeat 1992-2013) – das ist doch bemerkenswert! Was genau mit der Flüssigkeit passiert und wie sich das in Organismen auswirkt, dafür gibt es zwar Erklärungsansätze, aber im Grunde verstehen wir es noch nicht. Einige Erklärungsvorschläge gehen davon aus, dass Nanopartikel und Nano-Bubbles beteiligt sind, gesichert ist dies jedoch noch nicht.
Es gibt derzeit kein einziges Modell, das alle Eigenschaften von wässrigen oder alkoholischen Lösungen beschreiben kann. So, wie es aussieht, wird die Homöopathieforschung zur Weiterentwicklung dieser Modelle führen. Die Materialeigenschaften von Homöopathika sind jedenfalls messbar anders, und zwar – ich betone es nochmal – wirkstoffspezifisch.
Die Reaktionsfähigkeit von Organismen: Hormesis
Das zweite Beispiel betrifft das homöopathische Ähnlichkeitsprinzip. Dazu muss ich etwas ausholen. Seit etwa 30 Jahren etabliert sich ein Forschungsgebiet, das sich mit der Hormesis beschäftigt. „Hormesis“ beschreibt einen Effekt, den man in komplexen, häufig organischen Systemen beobachtet, und der lässt sich – grob vereinfacht – so beschreiben: große Dosen eines toxischen Stoffes (z.B. Arsen) oder einer physikalischen Einwirkung (z.B. Hitze) schädigen den Organismus, während eine kleine Dosis desselben Stoffes oder derselben Einwirkung den Organismus stimuliert. Und mit „Stimulieren“ ist hier gemeint, dass diese kleine Dosis, vor der schädigenden Einwirkung gegeben, eine schützende Wirkung hat, nach der Schädigung gegeben eine heilende. Als Kurzformel:
Große Dosis: schadet
Kleine Dosis: hilft
Ein kleines Beispiel: Sie setzen Zellen einem Hitzeschock aus, wodurch in den Zellen wichtige Proteine zerstört werden. Die Zellen bilden als Reaktion darauf sogenannte Hitzeschock-Proteine (genauer: eine Protein-Art namens „HSP60“), die dabei helfen sollen, die anderen Proteine zu stabilisieren und damit die Überlebensfähigkeit der Zelle zu erhöhen. Diese Maßnahme hilft etwas, aber trotzdem stirbt ein großer Teil der Zellen innerhalb einiger Stunden ab. Wenn Sie aber die Zellen nach dem Hitzeschock für eine Weile einer leicht erhöhten Temperatur aussetzen, dann bilden sich viel mehr von diesen Hitzeschock-Proteinen und deutlich mehr Zellen überleben. Große Hitze schadet – kleine Hitze hilft.
Sind Sie noch dabei? Jetzt wird’s nämlich besonders interessant: das Stimulieren funktioniert nicht nur mit dem gleichen Stoff/Einwirkung, sondern auch mit anderen Stoffen/Einwirkungen, die aber in ihrer Auswirkung dem schädigenden Einfluss ähnlich sind – so wie Hahnemann es schon vor über 200 Jahren behauptet hat!
Nehmen wir als Beispiel nochmal die hitzegeschädigten Zellen: Wenn Sie nach dem Hitzeschock keine Wärmebehandlung durchführen, sondern Arsen in sehr kleiner Dosis zugeben, dann überleben ebenfalls deutlich mehr Zellen als ohne Behandlung. Warum? Weil die Zellen auf Gaben von Arsen ähnlich reagieren wie nach einem Hitzeschock. Insbesondere wird ebenfalls das Hitzeschock-Protein HSP60 gebildet – Arsen in kleinen Dosen kurbelt deren Produktion massiv an. Arsen hat also auf hitzegeschädigte Zellen aufgrund seiner Wirkung, die dem eines Hitzeschocks ähnlich ist, einen kurativen Effekt. Das klingt schon ein wenig nach Hahnemanns „Ähnliches werde mit Ähnlichem geheilt“, nicht wahr?
Wobei wir an diesem Beispiel auch sehen können, dass es nicht das Arsen an sich ist, das diesen Effekt hat, sondern die Reaktion der Zellen auf dieses Gift. Wir lernen durch diese Art von Homöopathieforschung also immer mehr, wie anpassungsfähig lebende Organismen sind und welche Vorgänge in Zellen und komplexeren Systemen zu Selbstreparatur und Selbstregulation führen. Solche Effekte findet man aber eben nur in komplexen Systemen, die per Evolution gelernt haben, auf schädigende Einflüsse adäquat zu reagieren. Wer hier allzu mechanistisch denkt und bei Experimenten nur Einzelkomponenten solcher Systeme herausgreift, der wird kaum deutliche Effekte sehen. Die Wissenschaftler sind gefordert zu lernen, in komplexen Systemen zu denken und zu forschen, um dieser Phänomene gerecht zu werden. Die wissenschaftliche Anomalie namens „Homöopathie“ zwingt uns dazu.
Von den Erkenntnissen besonders der Hormesis-Forschung profitiert im Übrigen auch die Schulmedizin. So zeigen in Studien Herzinfarkt-Patienten, bei denen nach der Angioplastie noch einige kurzzeitige Perioden von koronarer Sauerstoff-Unterversorgung erzeugt wurden (das entspricht einer sog. „Postconditioning Hormesis“), gemäß dem hormetischen Prinzip eine deutliche Verringerung der Infarkt-Größe (Darling CE, Solari PB, Smith CS, Furman MI and Przyklenk K. 2007. Postconditioning the human heart: Multiple balloon inflations during primary angioplasty may confer cardioprotection. Basic Res Cardiol 102: 274-278. Staat P, Rioufol G, Piot C, Cottin Y, Cung TT and L’Huillier I. et al. 2005. Postconditioning the human heart. Circulation 112: 2143-2148).
Schlussbemerkung
Während Homöopathie-Ablehner damit beschäftigt sind, mit theoretischen Argumenten die Unmöglichkeit der Homöopathie zu „beweisen“, trägt die Homöopathieforschung ganz praktisch zu neuen und medizinisch nützlichen Erkenntnissen über die Eigenschaften physikalischer und biologischer Systeme bei. Und das, obwohl die Homöopathieforschung unterfinanziert ist. Wir kämen deutlich schneller voran, wenn wir hier mehr gut finanzierte, hochwertige Forschung hätten.
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